AG Mitte, Urteil vom 13. März 2012 – 107 C 3489/10
Volle (100-%-ige) Haftung eines Kfz-Führers bei Unfall mit Radfahrer bei ungeklärtem Unfallhergang.
In einem durch Rechtsanwalt Säverin erstrittenen Urteil hat das AG Mitte heute entschieden, dass den Führer eines Kfz bei einem Unfall mit einem Fahrradfahrer stets die volle Haftung treffe, wenn das Unfallgeschehen ungeklärt ist bzw. nicht geklärt werden kann, ob sich der Kfz-Führer oder der Fahrradfahrer verkehrswidrig verhalten hat.
Im konkreten Fall war es zu einer seitlichen Berührung zwischen dem im im rechten (Bus-)Fahrstreifen Rad fahrenden Beklagten und dem im links davon gelegenen Fahrstreifen Lkw fahrenden Kläger. Der Kläger hatte behauptet, der Beklagte sei plötzlich vom rechten Fahrstreifen in den vom Lkw befahrenen Fahrstreifen gewechselt, um an einem rechts parkenden Fahrzeug vorbeizufahren. Der Beklagte hatte dies bestritten und behauptet, der Unfall habe sich einige Meter hinter dem parkenden Fahrzeug ereignet, als der Lkw plötzlich von dessen Fahrstreifen auf den rechten (Bus-)Fahrstreifen gewechselt sei. In den Gründen seines Urteils führt das AG Mitte aus:
„Das Gericht vermag nicht zu entscheiden, welche dieser Aussagen richtiger ist. Es vermag nicht eine Verurteilung des Beklagten allein auf die Aussage des Klägers entgegen der Aussage des Beklagten zu stützen. Die Aussage des Beklagten war nicht zu widerlegen. Auch aus den eingereichten Fotografien ergibt sich nicht, dass der Beklagte mit seinem Fahrrad zwingend gehindert war – entgegen seiner Aussage – an [dem parkenden Fahrzeug] vorbeizufahren. Insbesondere wird die Fotografie, welche als Anlage K2 mit der Klageschrift eingereicht wurde, durch die weiter eingereichten Fotografien relativiert. Ob die Blockierspur, welche die Polizei feststellte, tatsächlich vom Beklagtenfahrrad stammt oder nicht, lässt sich im Nachhinein nicht mehr feststellen.
Es bleibt auch angesichts der entgegenstehenden Aussagen offen, wo genau sich der Unfall ereignet hat. Jedenfalls ist die Aussage des Beklagten nicht zu widerlegen und der von ihm geschilderte Unfallverlauf nicht weniger wahrscheinlich als der vom Kläger geschilderte Unfallverlauf. Nur aufgrund der Anstoßstellen kann im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden, wo genau sich der Unfall ereignet hat und ob der Kläger mit seinem Fahrzeug nach rechts fuhr oder der Beklagte mit seinem Fahrrad nach links. Ein Rekonstruktionsgutachten kann daher im Nachhinein den Unfall nicht aufklären.
Der Kläger hat darum ein Verschulden des Beklagten an dem streitgegenständlichen Unfall nicht nachgewiesen. Der Beklagte unterlag als Radfahrer nicht den Bestimmungen über die so genannte Gefährdungshaftung. Die Klage war darum abzuweisen.“