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Standzeit von 19 Monaten bei einem Gebrauchtwagen grundsätzlich kein Sachmangel

Veröffentlichung von RA Klaus Säverin in „Neue Justiz“ (NJ 2009, 288 – Anm. zu Urteil des BGH v. 10.03.2009 – VIII ZR 34/08)

Für die Frage, ob ein verkaufter älterer Gebrauchtwagen wegen einer dem Verkauf vorausgegangenen längeren Standzeit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln ist, ist – anders als bei der Standzeit eines Jahreswagens bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung (Senatsurteil vom 7. Juni 2006 – VIII ZR 180/05, NJW 2006, 2694, Tz. 11) – grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorliegen, die auf die Standzeit zurückzuführen sind und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufweisen.

Problem:

Die Entscheidung befasst sich mit der Frage, ob die dem Verkauf vorausgegangene längere Standzeit eines älteren Gebrauchtwagens für sich allein genommen auch dann einen Sachmangel darstellen kann, wenn die Dauer der Standzeit, anders als beispielsweise beim Verkauf eines Jahreswagens, nicht zum Gegenstand einer Beschaffenheitsvereinbarung zwischen den Vertragsparteien gemacht worden war.

Sachverhalt:

Der Kläger, der einen Autohandel betreibt, verkaufte dem Beklagten einen Pkw Chevrolet Van 20. Das rund zehn Jahre alte Fahrzeug war vor dem Verkauf für 19 Monate stillgelegt gewesen. Nach Einholung des für die erneute Zulassung erforderlichen Gutachtens und Bereitstellung des Fahrzeugs forderte der Kläger den Beklagten zur Abholung und Bezahlung auf. Der Beklagte erklärte unter Berufung auf ein Fixgeschäft den Rücktritt vom Vertrag und focht den Vertrag wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen an.

Nach vergeblicher Fristsetzung erklärte auch der Kläger den Rücktritt vom Vertrag und machte anschließend die Differenz aus dem mit dem Beklagten vereinbarten Kaufpreis (13.900 €) und dem nach anderweitigem Verkauf tatsächlich erzielten Kaufpreis (12.400 €) als Schadensersatz geltend. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben; das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verwies der BGH die Sache an das Landgericht zurück.

Entscheidungsgründe:

Der BGH hat entschieden, dass bei dem verkauften Fahrzeug kein Sachmangel im Sinne des § 434 Abs. 1 BGB vorliege, sodass der Beklagte nicht vom Vertrag zurücktreten könne. Anders als das Berufungsgericht gemeint habe, ließe sich keine Aussage dahin treffen, dass eine Standzeit und Stilllegungsdauer von 19 Monaten bei einem Gebrauchtfahrzeug eine Beschaffenheit darstelle, die nicht mehr üblich sei und die der Käufer nicht erwarten müsse.

Eine allgemeingültige Antwort auf die Frage, welche Standzeit üblich sei, könne es schon deshalb nicht geben, weil die Standzeit eines Gebrauchtwagens stark von der jeweiligen Marktlage abhänge. Außerdem ließe sich allein auf statistischer Grundlage keine Aussage dazu treffen, welche Käufererwartung hinsichtlich der Standzeit objektiv berechtigt sei. Denn die Standzeit eines Fahrzeugs sei für den Gebrauchtwagenkäufer nicht als solche, sondern allein im Hinblick auf mögliche standzeitbedingte Schäden von Interesse.

Ob sich derartige Mängel einstellen, hinge indessen von vielen Faktoren, insbesondere davon ab, unter welchen Bedingungen und mit welchen Vorsorgemaßnahmen ein stillgelegtes Fahrzeug abgestellt werde. Geschehe dies unter ungünstigen Bedingungen und/oder ohne fachmännische Vorbereitung, könnten schon nach kurzer Standzeit Korrosions- und andere Schäden auftreten. Umgekehrt könne bei fachmännischem Vorgehen der Zustand eines auch längere Zeit stillgelegten Fahrzeugs besser sein als der gleichaltriger Fahrzeuge ohne Standzeit.

Deshalb sei hinsichtlich der Frage, ob ein verkaufter älterer Gebrauchtwagen wegen einer dem Verkauf vorausgegangenen längeren Standzeit im Sinne des § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB frei von Sachmängeln sei, anders als bei der Standzeit eines Jahreswagens bis zum Zeitpunkt seiner Erstzulassung, grundsätzlich nicht auf die Standzeit als solche abzustellen, sondern darauf, ob bei dem Fahrzeug keine Mängel vorlägen, die auf die Standzeit zurückzuführen seien und die gleichartige Fahrzeuge ohne entsprechende Standzeit üblicherweise nicht aufwiesen. Der Bundesgerichtshof hat die Sache gleichwohl an das Landgericht zurückverwiesen, weil dieses offengelassen hatte, ob ein Fixgeschäft vorgelegen habe.

Kommentar:

Diese Entscheidung komplettiert die Rechtsprechung des BGH zu der Frage, welche Standzeit ein Fahrzeug in der Regel höchstens aufweisen darf, damit es noch als frei von Sachmängeln anzusehen ist. Für ein Neufahrzeug hatte der BGH insoweit bereits entschieden, dass von einem Sachmangel jedenfalls bei einer Standzeit von mehr als 12 Monaten auszugehen ist (BGH NJW 2004, 160). Dieselbe zeitliche Grenze hatte der BGH für Jahreswagen gezogen (BGH NJW 2006, 2694).

Für ältere Gebrauchtfahrzeuge jedoch, so stellte der BGH nunmehr in seinem Urteil fest, gilt diese Grenze nicht. Denn beim Gebrauchtwagenkauf lässt sich, anders als beim Kauf von Neu- oder Jahreswagen, keine stillschweigende Beschaffenheitsvereinbarung über die Dauer der Standzeit annehmen. Gebrauchtwagen können daher in der Regel nicht allein aufgrund einer langen Standzeit mangelhaft sein. Es kommt vielmehr zusätzlich darauf an, ob die lange Standzeit zu konkreten Mängeln geführt hat.

Praxishinweis:

Für den Käufer eines älteren Gebrauchtwagens bedeutet dies, dass er eine ausdrückliche Beschaffenheitsvereinbarung darüber schließen sollte, welche Standzeit das Fahrzeug vor dem Kauf hatte; auf eine konkludente Beschaffenheitsvereinbarung hierüber wird er sich in Zukunft nicht mehr berufen können. Für den Verkäufer eines älteren Gebrauchtwagens bedeutet das Urteil des BGH, dass er eine längere Standzeit des Fahrzeugs zwar nicht von sich aus zu offenbaren braucht; er sollte aber das Fahrzeug fachmännisch lagern, damit die lange Standzeit nicht ihrerseits zu Sachmängeln führt, die dann doch die Gewährleistungsrechte des Käufers auslösen.